Meine Angst vor der Küche

  • (Beitrag von Userin Sundance für die MyCakeColumna 2018)


    Heute berichte ich über meine Erfahrung, wie ich für eine kleine, nonkommerzielle Veranstaltung, bei der ich seit nunmehr 7 Jahren ehrenamtlich aushelfe, eine Torte zum 5. Geburtstag machte und dabei unter den Augen von gelernten Profiköchen und Konditoren beinahe die Nerven verlor.


    Die lange Vorbereitungszeit, das Planen und Design der Torte, die Suche nach dem passenden Rezept, das viele Probebacken und Testen, gipfelten in einer Angst, die mir nächtelang den Schlaf raubte und es fast unmöglich machte, eine Küche zu betreten. Doch wie fing das Ganze an? Spulen wir einige Zeit zurück.


    2015, die Veranstaltung war gut über die Bühne gebracht, die Nachbereitung abgeschlossen und voller Elan stürzte man sich auf die Planungen für das kommende Jahr. Es war das erste Jubiläum, 5 Jahre in Folge also und entsprechend sollte das Event etwas besonderes und gefeiert werden. Eine riesige Geburtstagsfeier also, und was darf auf keiner Geburtstagsfeier fehlen? Natürlich der Geburtstagskuchen. Das Organisationskommittee, zu dem ich damals noch nicht zählte, wohl aber mein Mann, überlegte wie sich dies umsetzen ließe. In Absprache mit dem KUBUS Restaurant, welches sich in dem fächerartigen Bau des Forums am Schlosspark in Ludwigsburg befindet, und dessen Küche geprägt ist vom Sternekoch Eberhard Aspacher, war es möglich, verschiedenste Kuchen vom Blech für die Besucher bereitzustellen. Doch an einen Geburtstagskuchen reichte das nicht heran. Bis mein Mann auf die Idee kam, dem Kommittee meine bis dato gefertigten Torten zu zeigen und man einstimmig beschloss, mich zu fragen ob ich nicht Lust hätte, eine passende Torte zu fertigen. Rein ehrenamtlich, die benötigten Zutaten und Utensilien würde man mir zur Verfügung stellen, die Gestaltung und Wahl des Geschmacks würde mir überlassen. Da ich aufgrund eines Ehrenamtes bei einer anderen Veranstaltung ohnehin bereits beim Gesundheitsamt vorstellig geworden war und die entsprechenden Unterweisungen hatte, sagte ich zu.


    Es folgten Monate voller Geheimniskrämerei (ich durfte ja nichts nach aussen dringen lassen), Planungen, Recherchen, Rezeptbücher wälzen und Probebacken. Etwa zwei Monate vor der Veranstaltung war es dann soweit: Das Design stand, das endgültige Rezept war festgelegt und hinreichend probiert, alle benötigten Utensilien waren vorhanden. Da stellte ich mir zum ersten Mal die Frage, wie ich denn die Torte zur Veranstaltung bekäme? Gar nicht, war die Antwort. Ohne Kühlmöglichkeit war es schlicht nicht möglich, eine Torte über mehrere hundert Kilometer hinweg nach Ludwigsburg zu transportieren. Sie musste frisch gebacken werden. Vor Ort. Da der Kontakt zum Küchenchef bereits wegen der Absprache der Speisekarte für unsere Besucher bestand, war es kein Problem, anzufragen, ob ich eine kleine Ecke in der Küche okkupieren konnte. Konnte ich, und so war ich beruhigt.


    Doch die Ruhe währte nicht lange. Einige Tage später traf mich die Erkenntnis wie ein eisiger Regenguss: Ich würde Seite an Seite mit gelernten Profis in einer echten Restaurantküche arbeiten! Was hatte ich mir nur dabei gedacht? Eine innere Unruhe machte sich in mir breit und sollte mich nicht mehr loslassen. Über die nächsten Wochen konnte ich mich tagsüber dank Arbeit und Familie ablenken, aber nachts begannen die Gedanken zu kreisen: Wie würde es aussehen, wenn da eine kleine Hobbybäckerin zwischen gestandenen Profis werkelt? Würde ich mich gut anstellen? Würde man mich mit Argusaugen beobachten? Würde man jeden meiner Schritte bewerten? Es raubte mir den Schlaf und dieser eisige Klumpen in meinem Magen wollte einfach nicht weggehen. Jeden Abend, nachdem ich von der Arbeit heimkam, fiel es mir schwerer, in meine Küche zu gehen und das Essen für meine Familie vorzubereiten. Ich hatte keinen Appetit, kein Rezept sprach mich an, es mangelte an Ideen. Meine eigene, kleine, sonst so gemütliche Küche schreckte mich ab, weil ich ständig das Bild einer riesigen Gastroküche, voll mit Köchen und Konditoren, die die tollsten Leckereien fertigen, vor Augen hatte. Ich fühlte mich ähnlich wie ein Eiskunstläufer, der nach einem schweren Sturz plötzlich Angst vor der Eisfläche hat. Meine Nerven lagen blank, und ich war kurz davor alles abzublasen.


    Irgendwie schleppte mich mein Mann durch die letzten Tage bevor wir uns auf nach Ludwigsburg machten. Seinem guten Zuspruch verdanke ich es, dass ich mich nicht einfach in eine Ecke verkroch und am liebsten nie wieder hervor gekommen wäre. Während wir unterwegs waren beruhigte ich mich und nach einer erholsamen Nacht im Hotel fühlte ich mich am nächsten Morgen sogar etwas erfrischt. Leider hielt der Effekt nur solange, bis das Treffen mit dem Küchenchef anstand. Plötzlich war die Angst wieder da. Mein Herz klopfte bis zum Hals, meine Hände schwitzten, meine Stimme überschlug sich. Der Küchenchef, ein erfahrener Mann Anfang Fünfzig, groß mit schlanker Statur und silbergrauen Haaren, wusste souverän mit meiner Nervosität umzugehen und schaffte es, während des Rundgangs mir etwas von meiner Angst zu nehmen. Auch die beiden Lehrlinge und der Sous Chef, die ich näher kennenlernen durfte, waren herzlich.


    Nach dem Rundgang bereitete ich die Station vor, die mir zugewiesen worden war und machte mich an die Arbeit. Nach und nach fiel jegliche Nervosität von mir ab, da ich mich einfach nur auf die vor mir liegende Aufgabe konzentrierte und alles andere ausblendete. Es hat mir sehr geholfen, dass man mich in Ruhe arbeiten ließ. Entgegen meiner Angst wuselte nicht die ganze Zeit jemand um mich herum, stellte mir irgendwelche Fachfragen, die ich unmöglich beantworten konnte oder merkte irgendetwas zu meiner Arbeitsweise an. Und dafür bin ich der ganzen Küchenbrigade zutiefst dankbar.


    Zwei Tage durfte ich von frühmorgens bis abends in der Küche des KUBUS an der Torte arbeiten - und das bei Vollbetrieb! Das gesamte Personal war unglaublich lieb und zuvorkommend. Meine Angst, unter den Augen von gelernten Köchen und Patissiers arbeiten zu müssen, war schnell verflogen. Am Ende wurden die Torten (es wurden drei) auf der Hauptbühne präsentiert und ich durfte diese live vor 1200 Besuchern (und unzähligen mehr, die es im Livestream verfolgten,) anschneiden und dem Veranstaltungsmaskottchen das erste Stück überreichen. Insgesamt war es eine sehr aufregende und tolle Erfahrung für mich.

    Sundance_Bild1.jpg    Sundance_Bild2.jpg



    Wer jetzt noch wissen möchte, um welche Art Veranstaltung es sich handelt und was das mit dem Design der Torten zu tun hat, findet nachfolgend noch einige Infos:


    Wer erinnert sich noch an die Zeichentrickserie „Mein kleines Pony“ aus den achtziger Jahren, die Millionen von Kindern vor die Fernseher lockte? Niedliche, bunte Pferdchen, die ebenso wie wir Menschen, mit ihren großen und kleinen Alltagsproblemen zu kämpfen hatten und deren Lösung sich immer durch den Zusammenhalt von Freunden darstellte. 2010, knapp 30 Jahre später, die Kinder von damals sind erwachsen geworden und haben zumeist eigene Kinder, erscheint das Reboot der Serie unter dem Namen „My little Pony: Friendship is Magic“. Und es schlug ein wie eine Bombe. Denn die neue Produzentin Lauren Faust, selbst Mutter, verfolgte den Anspruch eine Zeichentrickserie zu machen, die sich die Eltern freiwillig (!) zusammen mit ihren Kindern anschauen würden. So finden sich zahlreiche Referenzen zu bekannten Filmen und Serien wie The Big Lebowski oder Doctor Who, liebevolle Persiflagen zu realen Persönlichkeiten wie Karl Lagerfeld und popkulturelle Auftritte wie von der international bekannten Musikerin SIA, die nicht nur in Ponyform, sondern auch musikalisch zur Serie beisteuerte. Das und noch vieles mehr sorgte für das Aufkommen einer überwiegend erwachsenen Fanbase, welche sich auf mehr oder weniger kleinen und großen Veranstaltungen trifft. Innerhalb Europas ist die GalaCon, welche seit 2012 jährlich stattfindet, die wohl größte nonkommerzielle Veranstaltung dieser Art mit regelmäßig mehr als 1200 Gästen und etwa 100 freiwilligen Helfern und ehrenamtlichen Organisatoren. Am 28. und 29.07.2018 fand sie wiederholt erfolgreich statt und setzte mit Highlights wie einem Live-Heiratsantrag (sie hat Ja gesagt!) und einem neuen Rekordbetrag von über 23.000€ bei unserer Wohltätigkeitsauktion für einen tierisch guten Zweck einen neuen Maßstab für‘s kommende Jahr.


    Zur Wahl des Tortendesigns:

    Warum nicht eine klassisch runde Torte? Warum eine eckige? Ganz einfach: Klassisch ist zwar schön, aber ich wollte etwas besonderes machen. Also wurde die Torte eckig - sechseckig, in Anlehnung an die sechs Hauptcharaktere der Serie, aufgrund derer die GalaCon überhaupt erst existiert. Für die oberen Etagen habe ich runde Kuchen gebacken und diese dann passend auf die späteren Unterlagen zugeschnitten. Für die unteren Etagen hatte ich bereits passende Backformen. Wen die Größen interessieren: Die Durchmesser der einzelnen Etagen der Haupttorte waren 13cm, 18cm, 24cm, 30cm und 35cm. Die Unterlagen habe ich per Hand aus einer 3mm dicken Hartschaumplatte zugeschnitten. Für die Zuckerponies habe ich im Vorfeld Ausstecher via 3D Druck anfertigen lassen. Die Torten bestanden aus hellem Biskuit mit einer Füllung aus weißer Schokobuttercreme und Erdbeerkonfitüre, dekoriert mit handgefärbtem Fondant, Zucker- und Schokoblumen (gekauft) sowie Schokoschmetterlingen (ebenfalls gekauft).


    Meine Hobbyseite (wenn man sie denn so bezeichnen kann) ist auf DeviantArt zu finden:

    https://www.deviantart.com/stargazeandsundance

    Dort landet so ziemlich alles, was mein Mann und ich hobbymäßig betreiben. Wer sich also außer für das Backen noch für andere Themen erwärmen kann, findet dort sicherlich einiges zum wundern und stöbern. Ansonsten freue ich mich auch über Besuche auf meiner privaten FB-Seite: https://www.facebook.com/sundance.stargaze